Auf der Erfolgswelle reiten

Im Jahr 2000 wurde die westaustralische Langustenfischerei als erste Fischerei auf der Welt mit dem MSC-Siegel ausgezeichnet. Fast zwei Jahrzehnte später floriert sie noch immer- trotz einiger Herausforderungen.

James Paratore ist Fischer und verbringt doch den größten Teil seiner Woche nicht unter freiem Himmel. Das ist ungewöhnlich. Doch James ist eben nicht nur Fischer: Von Montag bis Freitag arbeitet er im Rahmen einer Ausbildung zum Arzt in der lokalen Notaufnahme.

An den Wochenenden fährt er allerdings mit dem Fischerboot der Familie raus aufs Meer. Dann sind sein Vater, die frische Luft und der weite Horizont seine einzige Gesellschaft.

James fischt Langusten in Westaustralien (WA). Die Fischerei, die sich 1000 Kilometer entlang der Küste von Cape Leeuwin im Süden bis Shark Bay im Norden erstreckt, hat ca. 250 Boote, die Langusten mit Körben fangen.

Karte von Australien
Karte von Süd-/Westaustralien
Karte von Südwestaustralien
Karte von Australien
Karte von Süd-/Westaustralien
Karte von Südwestaustralien

Ein historischer Meilenstein

Die Fischerei, in der James arbeitet, war weltweit die erste, die im Jahr 2000 mit dem MSC-Siegel ausgezeichnet wurde und sie ist bisher die einzige, deren Zertifizierung bereits zum vierten Mal erneuert wurde.

Die erfolgreiche Bewertung war nicht nur ein Wegweiser, um anderen Fischereien den Wert einer MSC-Zertifizierung deutlich zu machen. Die Fischerei wurde auch für ihren Mut gewürdigt, ihre Bewirtschaftungsmaßnahmen durch eine externe Stelle bewerten zu lassen.

Um diesen Meilenstein zu feiern, gab es Veranstaltungen in London, Sydney und Boston, bei denen Ehrengäste wie Königin Nūr von Jordanien und der britisch-amerikanische Starkoch Lloyd Grossman anwesend waren.

Damals sagte der MSC-Fischereidirektor Jonathan Peacey:

„Heute ist ein aufregender Tag. Mit der Zertifizierung der westaustralischen Langustenfischerei ist das Zertifizierungsprogramm des MSC nicht länger nur ein spannendes Konzept – es ist voll funktionsfähig.“
Vier Verantwortliche der Australischen Hummerfischerei mit dem ersten MSC-Zertifikat

Schnelles Handeln angesichts einer drohenden Krise

Zehn Jahre nach der Zertifizierung wurde die Fischerei von einer Krise bedroht, deren Überwindung es James ermöglichte, an die Universität zurückzukehren.

Jedes Jahr prognostizieren Wissenschaftler die westaustralischen Langustenfänge für die nächsten vier Jahre, indem sie die Anzahl der Tiere im Larvenstadium (auch Puerulus genannt) im Fanggebiet überwachen.

2008 entdeckten sie einen alarmierenden Rückgang der Puerulus-Zahlen. Damit begann eine drei Jahre andauernde Phase, in der die Forscher oft nur einen Puerulus am Tag in ihren Fallen fanden. Viel zu wenig im Vergleich zu dem historischen Durchschnitt von 100 Tieren.

Bis heute ist die Ursache des Rückgangs unklar, doch die Fischerei ging das Problem an, bevor es zu spät war.

Für Basil Lenzo aus Fremantle, Fischer in der dritten Generation und stellvertretender Vorsitzender der Fischergenossenschaft in Geraldton, war die Entscheidung eindeutig:

„Wir erkannten, dass wir entweder die Fangmengen halbieren und auf eine quotenbasierte Fischerei umstellen oder die Fischerei für ein Jahr völlig einstellen müssen, damit sich die Bestände erholen können. Nach reiflicher Überlegung haben wir uns für die erste Möglichkeit entschieden.“

Ein Langustenfischer öffnet die Fangkörbe mit den Langusten

„Die MSC-Zertifizierung war für uns eine wichtige Absicherung in der schwierigen Zeit 2009/2010, als Fragen nach Nachhaltigkeit und Umweltschutz aufkamen. Sie hat uns sehr dabei geholfen, der westaustralischen Regierung zu zeigen, dass die Branche weiß, was sie tut. Die Einschnitte [in den Fangquoten] hätten sogar noch schwerwiegender sein können, wenn wir die Werte, die die Grundlage der MSC-Bewertungen bildeten, in dieser Zeit nicht gehabt hätten."


Basil Lenzo

Langustenkörbe auf einem Fischereischiff, im Hintergrund der Ozean und ein dramatischer Horizont
Langusten in einem gelben und einem roten Korb
Nahaufnahme einer Languste
Drei Langustenfischer auf ihrem Schiff
Langusten in einem gelben und einem roten Korb
Nahaufnahme einer Languste
Drei Langustenfischer auf ihrem Schiff

Fischerei ist kein Wettkampf mehr

Das quotenbasierte System wurde 2010 eingeführt und veränderte die Dynamik der Fischerei vollständig. Anstatt wie bei einem Rennen gegeneinander anzutreten, um die für die gesamte Fischerei gültige Quote bereits in den ersten sieben Monaten eines Jahres auszuschöpfen, wurde jedem Schiff eine individuelle Fangmenge für das gesamte Jahr zugeteilt. Fast über Nacht veränderte sich dadurch das Tempo der Fischerei.

„Schnell bemerkten wir, dass es am günstigsten ist, wenn wir die Langusten im Meer lassen und erst fangen, wenn die Nachfrage auf dem Markt da ist.“, sagt Basil.

Dank des individuellen Quotensystems erzielen die Fischer höhere Gewinne mit den Langusten. Außerdem sind das ganze Jahr über lebende Langusten erhältlich. Und da es weniger Anreiz für die Fischer gibt, auch unter gefährlichen Bedingungen zu fischen, hat sich die Sicherheit deutlich erhöht. Doch es gibt auch Vorteile, mit denen sie nicht gerechnet hatten, erklärt James:

„Jetzt können die Fischer fischen, wann sie wollen. Ich hatte dadurch die Möglichkeit, zurück an die Uni zu gehen, um Medizin zu studieren, und kann meinem Vater an den Wochenenden und in den Ferien weiterhin helfen. Das ist ein großer Vorteil. Andere Fischer verbringen jetzt mehr Zeit mit ihren Familien und widmen sich ihren privaten Interessen.“

Die Veränderungen im Management haben sich gelohnt. In den letzten sieben Jahren waren die Fänge größer als jemals zuvor. „Die Fangzahlen haben sich verdreifacht“, erklärt Basil. „Ich muss mich immer wieder kneifen, es ist unglaublich.“

Doch die Veränderungen haben auch Opfer gefordert. Die Fangmenge zu halbieren, bedeutete auch, die Anzahl der Schiffe in der Flotte zu halbieren. Glücklicherweise waren viele Fischer in der Lage, ihre Erfahrung in der Offshore-Erdölindustrie Westaustraliens zu nutzen, die zu dieser Zeit boomte. Andere verkauften ihre Fangquoten, um früher in den Ruhestand gehen zu können.

Ein Langustenfischer verlädt seinen Fang

James Paratore auf dem Schiff seines Vaters © MSC

James Paratore auf dem Schiff seines Vaters © MSC

Zwei Fischer verladen ihren Fang Langusten

James und sein Vater Joe Paratore verladen die gefangenen Langusten © MSC

James und sein Vater Joe Paratore verladen die gefangenen Langusten © MSC

Eine Nahaufnahme einer Languste mit Kennzeichnung

Eine von James und seinem Vater Joe gefangene Languste © Western Rock Lobster Council Inc.

Eine von James und seinem Vater Joe gefangene Languste © Western Rock Lobster Council Inc.

„Vor neunzehn Jahren kamen ein paar Leute zusammen, die die MSC-Zertifizierung als eine Möglichkeit sahen, die Zukunft unserer Fischerei zu sichern. Sie waren ihrer Zeit wirklich voraus. Wir verdanken unseren Erfolg diesen Menschen, die wussten, dass das Siegel eines Tages entscheidend sein würde, nicht nur als Marktvorteil, sondern auch für die Erfüllung unserer sozialen Verantwortung.“

James Paratore

Der Fischer James Paratore in grüner Schürze vor einer Reihe von Fangkörben und dem Meer.

© MSC

© MSC

Ein Weg der ständigen Verbesserung

Die Fischerei hat hart daran gearbeitet, ihre Zertifizierung über die letzten zwei Jahrzehnte zu behalten und sich dafür kontinuierlich verbessert. „Die Maßstäbe des MSC entwickeln sich ständig weiter. Dadurch hat sich unsere Langustenfischerei zu einem weltweit führenden Unternehmen entwickelt, das die Standards bereits erreicht hat, die andere Fischereien dann angestrebt haben“, sagt James.

Neben der nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Bestände hat die Fischerei auch neue Maßnahmen eingeführt, um die Auswirkungen der Fischerei auf gefährdete Meerestiere zu vermeiden.

Damals im Jahr 2000 war nur wenig über die Auswirkungen der Fischerei auf die gefährdeten Australischen Seelöwen (Neophoca cinerea) bekannt, die sich an der Küste Westaustraliens fortpflanzen.

Um ihre Zertifizierung zu behalten, musste die Fischerei herausfinden, wie viele Jungtiere sich ungewollt in den Hummerkörben verfangen.

Sie entwickelte daraufhin sogenannte "Sea Lion Excluder Devices" (SLEDs). Das sind modifizierte Hummerfallen und -körbe, in die junge Seelöwen nicht eindringen können und die dennoch Langusten fangen. 2009 wurde der Einsatz von SLEDs für alle Fischereiaktivitäten in Gewässern unter 20 Metern Tiefe und in der Nähe einer Seelöwenkolonie zur Pflicht.

Infolgedessen ist die Zahl der verendeten Tiere von 20 im Jahr 2006 auf Null seit 2012 gesunken. Und Seelöwen sind nicht die einzigen Meeressäugetiere, die von der verbesserten Fangtechnik profitieren.

„Im Rahmen des MSC-Programms überwacht unsere Fischerei auch weiterhin alle Prozesse, reagiert auf Veränderungen und führt innovative Lösungen ein. So wurden zum Beispiel 2015 neue Schutzmaßnahmen eingeführt, die das Risiko verringern, dass sich Wale während ihrer Wanderungen in unseren Fanggeräten verfangen.“
Kim Colero, Vorsitzender des westaustralischen Rock Lobster Council

Seelöwe am Strand mit Seevögeln im Hintergrund

Die Zukunft in die eigene Hand nehmen

Der Markt für Langusten hat sich seit 2000 ebenfalls verändert. Früher wurden sie gefroren und in die USA verschifft, jetzt werden sie fast ausschließlich lebendig nach China exportiert, wo sie als teure Delikatesse hohe Umsätze erzielen.

Der Großteil der Tiere wird über die Fischergenossenschaft Geraldton verkauft, die 1950 von einer Handvoll unternehmerischer Fischer ins Leben gerufen wurde. Sie wollten die Mittelsmänner in der Wertschöpfungskette umgehen und ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Die Genossenschaft, die immer noch zu 100 Prozent den Fischern gehört, ist nun eine der größten Exporteure für Hummer weltweit und handelt mit 65 Prozent der westaustralischen Langusten - zertifiziert nach dem MSC-Rückverfolgbarkeits-Standard.

„Die Akkreditierung durch Dritte wird in unserer Branche immer wichtiger, da sie unser Produkt von anderen auf dem Markt unterscheidet. Je wohlhabender die Welt wird, umso mehr wird auf Nachhaltigkeit geachtet und der Markt ist bereit, hohe Preise für vertrauenswürdige Produkte zu zahlen. Das bringt unsere Fischerei in eine starke Position.“

Kim Colero, Vorsitzender des westaustralischen Rock Lobster Council

Landesweite Inspiration

Inspiriert vom Erfolg der Fischerei hat die Regierung von Westaustralien im Jahr 2012 14,5 Mio. Dollar Fördergelder zur Verfügung gestellt, um allen 47 Fischereien Westaustraliens die Möglichkeit zu geben, sich einer Vorbewertung nach dem MSC-Standard für nachhaltige Fischerei zu unterziehen. In der Vorbewertung wird geprüft, ob eine Fischerei bereit ist, in eine Vollbewertung einzutreten.

Seitdem wurden die Fischereien Exmouth Gulf Prawn, Shark Bay Prawn, Peel Harvey Blue Swimmer Crab, Peel Harvey Mullet, Deep Sea Crab und WA Abalone mit dem MSC-Siegel ausgezeichnet. Vier andere Fischereien treten jetzt in die Vollbewertung ein und drei weitere werden ihnen bald folgen. Westaustralien hofft, dass alle seine Fischereien innerhalb der nächsten 20 Jahre zertifiziert werden.

Fischer verladen ihre Fangkörbe

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