Alaska-Seelachs fischen ist Familientradition
Die Geschichte der Generationen von Alaska-Seelachsfischern in der Barentssee und ihrem revolutionären „Catch-Share“-System.
Von weitem sieht es aus, als würde ein Fußballstadion über einem dunklen Abgrund schweben. Die C/P Starbound fischt in der Beringsee vor Alaska nach Alaska-Seelachs, ihr Deck ist hell erleuchtet, sodass rund um die Uhr gearbeitet werden kann. Von 8 Uhr abends bis 8 Uhr morgens ist das Tylar Loewens Reich.
Loewen, 29, ist der Chef des Nachtdecks und sein Job ist es, die Sicherheit von Ausrüstung und Crew zu gewährleisten, selbst wenn riesige Wellen gegen den Bug prallen und zu einer Mauer aus Wasser werden, die hoch genug ist, um die Fenster des Steuerhauses zu treffen. Die Arbeit auf hoher See ist hart, aber sobald er am Ende der Schicht ein Netz voller Fische an Bord holt, ist es all die Anstrengungen wert, sagt er. „Wir sind glücklich; wir bringen das Geld. Das ist der aufregendste Teil.“
Für Loewen und viele andere in diesem Geschäft ist die Fischerei eine Familiensache. Sein Vater ist Kapitän eines ähnlichen Schiffes. Loewen hat ebenfalls ein Auge auf den Kapitänsposten geworfen und bereits die Prüfung zum Maat absolviert, um zu beweisen, dass er das Zeug dazu hat. Das ist sein Plan für die nächsten Jahrzehnte und er zählt darauf, dass der Alaska-Seelachs in dieser Zeit nicht ausgeht.
„Ich will, dass es immer so weitergeht. Ich will Karriere machen.“
Für ihn ist das eine ziemlich sichere Bank – die Alaska-Seelachs-Fischerei der USA ist eine der am besten verwalteten Fischereien weltweit.
Bestnoten für Nachhaltigkeit
Alaska-Seelachs aus der US-Fischerei ist nach dem Standard Marine Stewardship Council (MSC) als nachhaltig zertifiziert. Eine Gruppe unabhängiger Wissenschaftler hat bestätigt, dass die Fischerei ein wirkungsvolles Management betreibt, mit dem sichergestellt wird, dass sich die Fischerei an die Vorgaben hält und die negativen Auswirkungen auf andere Arten und den marinen Lebensraum so gering wie möglich sind. Die Ergebnisse des unabhängigen Bewertungsteams sind Gegenstand öffentlicher und fachlicher Bewertung und nur Fischprodukte aus MSC-zertifizierten Fischereien dürfen mit dem blauen MSC-Siegel ausgezeichnet werden.
Die Alaska-Seelachs-Fischerei der USA wurde 2005 zum ersten Mal vom MSC als nachhaltig zertifiziert. Mit ihren Punktezahlen ist sie eine der am höchsten bewerteten Fischereien des ganzen Programms.
Eine Reihe von Neuerungen
Beim Thema Nachhaltigkeit geht es nicht nur um ein Gütesiegel, sondern darum, sich ständig an neue Umwelt- und Marktbedingungen anzupassen. Nur so ist der Fortbestand der Fischpopulationen und der Lebensunterhalt von Familien wie den Loewens auch in Zukunft gesichert.
Eine der revolutionärsten Änderungen, die zugunsten der Nachhaltigkeit gemacht wurden, war 1999 die Einführung eines sogenannten Catch-Share-Systems. Das neue Managementsystem teilte den gesamten jährlich erlaubten Fang zwischen den einzelnen Fischereien auf und beendete damit von einem Tag auf den anderen die Konkurrenz zwischen einzelnen Fischerbooten. Während die Boote zuvor gegeneinander kämpften oder unter gefährlichen Bedingungen fischten, konnten sie sich nun darauf konzentrieren, entsprechend ihrer individuellen Möglichkeiten zu fischen, wenn die Bedingungen gut waren.
Das Catch-Share-System brachte nicht nur eine beständigere Fischerei während der ganzen Saison. Es erlaubte auch den Unternehmen, die den Alaska-Seelachs verarbeiten eine bessere Planung, bei der Rücksicht auf Kundenwünsche genommen werden kann.
Die Regulierung von Fischerei und Fischverarbeitung hilft dabei, höchste Qualität und Effizienz dauerhaft zu halten und ermöglicht es den Verarbeitungsbetrieben, mehr Fischprodukte aus derselben Menge an Fisch zu erzeugen.
Jetzt weiß jedes Boot im Voraus, wie viel Fisch gefangen wird. Die Herausforderung ist es, die Kosten gering zu halten und so viel wie möglich aus jedem Fang herauszuholen. „Niemand prahlt damit, all diese Fische gefangen zu haben“, sagt Loewen. Stattdessen geht es darum, welcher Geldwert mit ihnen erzielt werden kann.
Fischfänger und -verarbeiter wie die Starbound verarbeiten den Fisch frisch aus dem Ozean. Innerhalb weniger Stunden wird der Seelachs filetiert, eingefroren, verpackt und mit einer Kennzeichnung versehen, die darüber Auskunft gibt, wo und wann er gefangen wurde. Fisch, der nicht filetiert wird, wird zu einer Art Fischfarce, die die Basis für beliebte Surimi-Produkte ist. Rogen, der auf dem asiatischen Markt als Delikatesse gilt, wird nach Qualitätsgraden getrennt.
2014 wurde an der C/P Starbound ein größerer Umbau vorgenommen. Das Boot wurde in der Mitte aufgeschnitten, und ein neuer, fast 20 Meter langer Abschnitt eingeschweißt.
„Der Umbau ermöglicht es uns, wirklich alles von den Fischen zu nutzen“, sagt Karl Bratvold, der 22 Jahre lang Kapitän der Starbound war, bevor er aufs Festland ging um das Umbauprojekt zu leiten. „Zuvor haben wir nur Filets, Surimi und Rogen produziert. Jetzt können wir mehr Produkte herstellen, mehr Märkte erschließen und den Abfall reduzieren.“
Auf dem Schiff wird jetzt Fischmehl hergestellt, das als Zutat im Futtermittel für eine Vielzahl von Aquakulturprodukten verwendet wird. Außerdem wird Fischöl produziert, das für Nahrungsergänzungsmittel verwendet und teilweise als erneuerbare Kraftstoffquelle für den Kessel des Schiffes verwendet wird, um den Verbrauch von fossilen Brennstoffen zu reduzieren.
Der Ausbau des Schiffes dauerte über 10 Monate und kostete 45 Millionen US-Dollar. „Das ist eine riesige Investition“, sagt Bratvold. „Wenn die US-Fischerei nicht besonders nachhaltig wäre und die Alaska-Seelachs-Fischer und -Verarbeiter sich nicht kontinuierlich verbesserten, würden wir niemals 45 Millionen Dollar für ein Schiff ausgeben.“
„In der Beringsee sehen wir, wie nachhaltig die Fischerei ist. In diesem Jahr hat das Fischen dort jegliche Erwartungen übertroffen.“
Reine Familiensache
Am Steuer ist heute Jeff Garrison, 46.Genauso wie Loewen verbrachte er in seiner Kindheit jeden Sommer auf einem Fischerboot; sein Vater war Kapitän eines 125 Fuß großen Krabbenfängers aus Dutch Harbour, dem Zentrum der US-amerikanischen Alaska-Seelachs-Industrie. „Es war ein schönes kleines Boot“, erzählt er. „Ich bin darauf aufgewachsen. Wir haben darauf gespielt. Es war wie unser Klettergerüst.“
Sein Vater konnte nicht viel tun, um ihn von einer Karriere in der Fischerei abzuhalten, sagt er. „Du siehst deinen Vater und für dich ist er unverwundbar, weil er auf den Ozean hinausgeht. Das ist eine Sache, bei der du als kleiner Junge denkst: ‚Wahnsinn, genauso will ich sein.‘“
Dutch Harbour ist nach wie vor ein Fischerort am Ende der Welt, doch die Fischerei hat das Gefühl der Abgelegenheit in die Vorteile einer professionellen, gut regulierten und hochmodernen Industrie umgewandelt. Damit sind die Fischer hier sehr zufrieden.
Der Blick auf Dutch Harbour
Der Blick auf Dutch Harbour
Wenn Kunden Alaska-Seelachs-Produkte mit dem MSC-Siegel kaufen, unterstützen sie Familien wie die von Garrison und Loewen und können sich außerdem darauf verlassen, dass sie frischen, nachhaltig gefangenen Fisch essen.
„Es ist unsere Aufgabe, alles so zu hinterlassen wie wir es vorgefunden haben“, erklärt Garrison. „Ich hoffe, die Kunden verstehen, dass wir uns gut um die Fischbestände hier kümmern, wenn sie das blaue MSC-Siegel auf unseren Produkten sehen.“
In Nordamerika und Europa werden Alaska-Seelachs-Filets für die beliebten panierten Fischprodukte verwendet, die zum Beispiel von McDonalds und Iglo angeboten werden. Auch nicht-panierte Produkte und Surimi werden immer beliebter. Sie bringen den Geschmack der Beringsee auf den Teller und der kann noch von vielen folgenden Generationen genossen werden.
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